Florida: Was USA-Urlauber in Fort Myers nach Hurrikan Ian erwartet - WELT (2024)

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WELT: Ende März 2023, ein halbes Jahr nach Hurrikan Ian, starten wieder Direktflüge von Frankfurt/Main nach Fort Myers. Doch wie sehr ist die Region aktuell überhaupt auf Urlauber eingestellt?

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Tamara Pigott: Für die größte Zerstörung sorgte Ian entlang der Küste. Insbesondere in Fort Myers Beach und auf der Insel Sanibel müssen Gäste noch immer und noch eine ganze Weile mit Einschränkungen rechnen. Dort gleicht ein Strandurlaub in diesem Frühjahr nicht dem vergangener Jahre, so viel steht fest.

WELT: Was bedeutet das konkret?

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Pigott: Je näher Besucher der Küste kommen, desto mehr zeigt sich, dass hier vor sechs Monaten Chaos herrschte. Nehmen wir Fort Myers Beach. Wo Gebäude standen, beispielsweise am viel frequentierten „Times Square“ mit seinen Boutiquen, Bars und der Strandpromenade, klaffen jetzt Lücken. Manche der Gebäude, die unmittelbar am Golf von Mexiko standen, machte Ian mit einer Geschwindigkeit von bis zu 150 Meilen pro Stunde (ca. 241 km/h) dem Erdboden gleich, bei anderen beschädigte er nur Teile.

Es besteht also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass so mancher Urlauber sein Lieblingshotel nicht mehr vorfindet – zumal Gebäude, deren Renovierungskosten 50 Prozent höher ausfallen als der aktuelle Wert des Hauses, nicht wieder aufgebaut werden dürfen. Dennoch stehen bereits 70 Prozent unserer Hotelzimmer in der gesamten Region wieder zur Verfügung, also fast 10.000 Zimmer.

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WELT: Nun schätzen viele Reisende Florida aber insbesondere wegen des Urlaubs am Meer. Auf Ihrer Homepage visitfortmyers.com warnen Sie Badende und Strandspaziergänger vor Glassplittern und kleinen Nägeln.

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Pigott: Das stimmt. Lassen Sie es mich so sagen: Das Wichtigste für uns ist, dass Urlauber kommen. Ganze Wirtschaftszweige – von der Gastronomie über den Einzelhandel bis hin zu touristischen Attraktionen – leben vom Besuch internationaler Gäste; 40 Prozent des hier ausgegebenen Geldes stammt aus dem Ausland. Wir sind auf sie angewiesen, sofern wir auf lange Sicht existieren wollen. Ohne Touristen wird das nicht passieren.

Gleichzeitig steht die Sicherheit der Urlauber an oberster Stelle, niemand soll sich den Fuß etwa an einer Glasscherbe aufschneiden. Insofern setzen wir auf Ehrlichkeit und kommunizieren die in Teilen noch angespannte Situation offen. Es bringt nichts, dass jemand herkommt und eine völlig andere, zuvor beschönigte Lage vorfindet.

WELT: Heißt: Wer Strandurlaub machen möchte, fliegt aktuell besser nicht nach Fort Myers?

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Pigott: Nein, wir freuen uns über jeden Besucher, zumal in diesen Wochen ein Strand nach dem nächsten wieder aufmacht. Ich wohne selbst nicht an der Küste und bin nur ein, zwei Mal die Woche da. Doch jedes Mal, wenn ich es zu einem der Strände schaffe, bin ich begeistert vom Fortschritt.

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WELT: Während sich die Strände also schnell erholen, zumal auch Freiwillige bei Aufräumaktionen helfen, stehen Häuser leider nicht von heute auf morgen.

Pigott: Tatsächlich warten Eigentümer mitunter monatelang auf Rückmeldung ihrer Versicherung, ob und wie es weitergeht. Außerdem müssen wir natürlich Bauvorschriften befolgen. Sie sehen private wie gewerbliche Flächen nicht mehr im Erdgeschoss vor, sondern in einer höhergelegenen Etage, damit sich Schäden künftiger Hurrikans in Grenzen halten.

Ein Beispiel: die Restaurants in der Region. Viele müssen ihr komplettes, vom Salzwasser angegriffenes Equipment neu kaufen, von der Spülmaschine bis zum einzelnen Löffel. Und jetzt bestellen auf einmal vier, fünf, sechs Restaurants all diese Produkte, die nach der Pandemie und den mit ihr verbundenen Lieferschwierigkeiten ohnehin schwerer zu bekommen sind. Das braucht seine Zeit. Wenn aber in ein paar Jahren alles wieder steht, gehört diese Gegend zu den modernsten der USA, wenn nicht der Welt.

-> Ein Video vom 4. Oktober gibt einen Einblick in die Zerstörungen:

WELT: Genau davor fürchten sich viele allerdings auch – dass mit all den Neubauten der Charme des alten Florida verschwindet.

Pigott: Von den Sorgen wissen wir, und den Druck, ebendiesen Charme zu bewahren, spüren wir in jedem Fall. Auf Sanibel Island darf auch weiterhin kein Gebäude die höchste Palme überragen. Die Bau- und generellen Vorschriften fallen besonders streng aus, übrigens auch in Fort Myers Beach. Wir mögen keine Bettenburgen, die ewig breit die Sicht aufs Meer versperren. In unserer Region darf es gern kleiner und gemütlicher zugehen.

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Gleichzeitig bleiben Veränderungen nicht aus. Wir müssen anders, nämlich besser wieder aufbauen. Nachhaltigkeit heißt ja nicht nur, das Klima zu schützen, sondern auch unsere Gebäude vor der Umwelt, also beispielsweise vor Hurrikans. Am Ende glaube ich sowieso, dass Menschen die Atmosphäre eines Ortes ausmachen, nicht Gebäude.

WELT: Sie meinen, die Krise hatte bei allem Elend auch etwas Gutes?

Pigott: Absolut. Es war fantastisch zu sehen, wie die Gemeinschaft hier zusammenhält. Zwei Beispiele: Den Sanibal Causeway, also die Straße nach Sanibel über den Golf von Mexiko, zerstörte der Sturm an fünf Stellen. Ich war absolut sicher, dass es Monate dauern würde, bis wir wieder auf die Insel kämen. Und was passierte? Nach 15 Tagen und dem pausenlosen Schuften vieler Helfer ließ sie sich wieder befahren.

Und die Nachricht, dass unser berühmter Leuchtturm auf Sanibel fünf Monate nach Ian wieder in Betrieb ging, sorgte landesweit für Schlagzeilen. So hören viele von Fort Myers, die die Stadt vorher gar nicht kannten, und jetzt herkommen möchten. Wir arbeiten hart daran, diese Region wieder aufzubauen.

Lust auf Urlaub in Florida? Hier gibt‘s Tipps:

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Florida

Tauchen bei Nacht zu den Aliens aus der Tiefsee

WELT: Vor allem Deutsche dürften das gern hören, zählen sie doch zu Ihren wichtigsten Gästen.

Pigott: Ja, vor allem, weil sie im Sommer und damit unserer traditionellen „slow season“ kommen, also in den Monaten, in denen es eher ruhig zugeht. Viele Deutsche besitzen auch ein Ferienhaus in Fort Myers. Von 23.000 Grundstücken internationaler Urlauber gehören fast 2000 Deutschen, das ist viel – auch im Vergleich zu größeren Städten wie Miami, Tampa oder Orlando.

WELT: Und was lässt sich aktuell überhaupt schon wieder erleben?

Pigott: Der Urlaub mag, Stichwort Strand, vielleicht anders ausfallen als früher. Dennoch spielen Besucher Golf, fahren Kajak oder Boot und angeln. Auch das Bailey-Matthews National Shell Museum auf Sanibel empfängt wieder Besucher, nachdem der Hurrikan nur das Dach beschädigt hatte.

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Das Edison Fort Winter Estate, also das Winterdomizil von Thomas Edison und Henry Ford, lässt sich ebenso erkunden. Selbst im schwer gezeichneten Fort Myers Beach öffnen jede Woche neue Restaurants, Galerien und Shops wieder. Die Zahl bleibt zwar bislang überschaubar, aber es wird.

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WELT: Auch die Natur braucht ihre Zeit, sich zu erholen.

Pigott: Am 4. April öffnet das Darling National Wildlife Refuge mit zuletzt fünf Millionen Besuchern im Jahr, was wir als Meilenstein auf dem Weg zurück in den Alltag empfinden. Mutter Natur hat es – bis auf den Vorfall mit Ian – gut gemeint mit dieser Region. Die Umwelt zeigt so viel mehr Resilienz, als wir denken, und genauso tun es die Menschen hier. Auch verschiedenste Vogelarten, Manatis und Delfine lassen sich schon wieder beobachten.

WELT: Aber nicht in Delfin-Shows?

Pigott: Nein, hier in der Region gibt es derartige Shows nicht; einzig mehrere Ausflugsfahrten per Boot, bei denen Besucher Delfine, aber auch Manatis, Vögel und andere Wildtiere in ihrer natürlichen Umgebung beobachten können – sofern sie sich zeigen.

WELT: Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie in diesem Jahr?

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Pigott: Wir haben keine Schätzung für die Besucherzahlen für 2023 vorgenommen, aber 2022 waren 4,4 Millionen Urlauber vor Ort. Wir gehen davon aus, dass die Besucherzahlen im Vergleich dazu zurückgehen werden.

Informationen zur Region Fort Myers – auch dazu, welche Strände wieder zugänglich sind – finden sich auf der offiziellen Seite der Tourismusbehörde: visitfortmyers.com.

Tamara Pigott arbeitet seit 2000 für das Fort Myers Lee County Convention Bureau; seit 13 Jahren leitet sie das Tourismusbüro als Executive Director. Die US-Amerikanerin besuchte das College der Florida State University in Tallahassee und machte einen Bachelor of Science in Wirtschaftswissenschaften sowie einen Master of Science in angewandter Politikwissenschaft. Pigott lebt seit 1990 in Fort Myers.

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