Wer sich die Anschaffung einer neuen Grafikkarte überlegt, der muss sich seit Jahren zwischen Modellen auf AMD-Radeon- oder Nvidia-Geforce-Basis entscheiden. Neben der rohen Gaming-Leistung haben die beiden Rivalen viele Funktionen und Techniken entwickelt, die – teilweise – nur mit den hauseigenen GPUs funktionieren, um Gamern den Alltag und das Spielerlebnis noch weiter zu verbessern. Dazu zählen Dinge wie Bildoptimierungen, Synchronisations-Techniken, KI-gesteuerte Features oder Unterstützung beim Streaming. Wir erklären die wichtigsten davon – und ob AMD oder Nvidia dabei besser abschneiden.
Treiber-Updates: AMD Software Adrenalin Edition vs. Nvidia Geforce Experience
Mit der AMD Software Adrenalin Edition kam 2020 ein komplett überarbeiteter Radeon-Treiber auf den Markt, der viele Funktionen in einer Oberfläche bündelte. So lassen sich darüber Spiele aufzeichnen, streamen und optimieren, während sich der PC überwachen lässt – alles über ein Dashboard. Besonders erwähnenswert waren dabei aber auch die Leistungszuwächse in Spielen, die sich stellenweise auf über 12 Prozent höhere Bildraten beliefen. Neben diesen großen Updates, die es etwa einmal im Jahr gibt, veröffentlicht AMD jeden Monat eine neue Treiberversion. Manchmal auch mehr, wenn große Triple-A-Titel erscheinen.

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AMD Radeon Software Adrenalin Edition: Das kann AMDs Grafikkarten-Treiber
Nvidias Treiber-Updates verfolgen einen ähnlichen zeitlichen Rhythmus wie bei AMD. Der größte Unterschied besteht allerdings darin, dass Gamer zwei separate Benutzeroberflächen bedienen müssen. Die „Nvidia Systemsteuerung“ kümmert sich um Dinge wie Auflösungen sowie weiterer Grafik- und Monitoreinstellungen, während „Geforce Experience“ eine Spieleoptimierung, Treiber-Aktualisierungen und Funktionen für Streamer und Content Creator bietet. Letzteres Programm setzt allerdings zwingend einen Geforce-Account voraus, was wir etwas nervig finden. Außerdem gibt es auch hier bei Treiber-Updates Performance-Zuwächse, allerdings nicht in derart großen Sprüngen wie bei den jährlichen Aktualisierungen von AMD.

Der erste Punkt geht also an AMD, da wir den Ansatz in Sachen Treibern bevorzugen, da Sie hier eine Anwendung weniger bedienen müssen.
Grafikkarten-Vergleich 2022: GeForce RTX und Radeon RX GPUs im Test – mit Rangliste
Die Unterstützung von DirectX 12 Ultimate
Microsofts DirectX ist eine Sammlung von Programmierschnittstellen (APIs), die es Spielen ermöglichen, mit den verschiedenen PC-Komponenten zu kommunizieren. DirectX 12 Ultimate stellt ein bedeutendes Update für PCs und die Zukunft von Spielen dar. Es führte eine Reihe neuer Techniken ein, wie DirectX Raytracing, Variable Rate Shading und Sampler Feedback – mehr dazu lesen Sie in unserem Artikel „Das kann DirectX 12 Ultimate für Windows 10 und Xbox“. All diese Techniken erfordern allerdings auch grundlegende Änderungen an der internen GPU-Hardware, was die Anzahl der Grafikprozessoren, die alle diese Funktionen vollständig unterstützen, begrenzt.

Hier ist aktuell Nvidia im Vorteil, denn bereits die Geforce-RTX-2000-Serie unterstützte DirectX 12 Ultimate vollumfänglich, was in die RTX-3000er-Karten übernommen wurde. Bei AMD ist das erst bei den aktuellen Grafikkarten der Radeon-RX-6000-Reihe der Fall, da die Ingenieure die dort integrierte RDNA-2-Architektur entsprechend angepasst haben. Mit dem aktuellen Portfolio hat also keiner der Hersteller hier eindeutig die Nase vorn, weshalb jeder einen Punkt erhält.
DLSS vs. FSR: Upscaling-Techniken im Vergleich
Nvidias „Deep Learning Super Sampling“ (DLSS) und AMDs „FidelityFX Super Resolution“ (FSR) nehmen Rechenlast vom Grafikprozessor, indem sie Spiele in einer niedrigeren Auflösung rendern, bevor sie auf eine höhere hochskaliert werden, während die Bildrate beibehalten oder sogar erhöht wird – selbst bei hohen Grafikeinstellungen.

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Der Hauptunterschied zwischen den beiden: Nvidias DLSS ist KI-basiert. Hierfür nutzt die Technik dedizierte Rechenkerne (die sogenannten Tensor Cores) in den Geforce-GPUs der RTX-2000- und RTX-3000-Serie. Das sorgt auch dafür, dass die Bildwiedergabe in der Praxis auch schärfer erscheint als bei AMDs FSR. Denn letztere Technik setzt auf komplexe Algorithmen, die nicht die Dynamik einer KI aufweisen können.
Außerdem ist die Bildrate bei DLSS beständiger. Den direkten Vergleich können Sie in unserem Beitrag „AMD FSR und Nvidia DLSS im direkten Performance- und Qualitätsvergleich“ nachlesen. Dennoch können wir beiden Upscaling-Technologien gute Ergebnisse bescheren, von denen vor allem Gamer mit eher leistungsschwachen Systemen profitieren können.
Aber ganz so einfach ist es nicht: Mit FSR 2.0 hat AMD vom Analysieren jedes gerenderten Bildes (“Spatial Upscaler”) auf ein temporales Upsampling umgestellt, bei dem auch die Daten vorausgegangener Frames Eingang in die Berechnung finden. Da FSR 2.0 eben nicht auf die spezialisierten KI-Einheiten von Nvidia angewiesen ist, sondern in den Shader-Einheiten stattfindet, funktioniert die Technik theoretisch also auch mit fremden Grafikkarten von Intel und Nvidia. Zudem sollten typische DLSS-Probleme wie Smearing & Ghosting bei FSR 2.0 nicht auftreten. Wie gut FSR 2.0 in der Praxis funktioniert, lässt sich allerdings noch nicht abschließend beurteilen, da bisher nur ein Spiel (Deathloop) die Version 2.0 unterstützt . Der Punkt geht deshalb – status quo – für die bessere Optik und die stabilere Bildrate an Nvidia.
Apropos KI-Beschleunigung: Wie bereits erwähnt nutzt Nvidia schon seit der RTX-2000-Generation künstliche Intelligenz, um die Bildwiedergabe und Leistung beim Zocken zu optimieren, wofür der Anbieter sogar eigene Rechenkerne integrieren lässt. In AMDs Grafikkarten ist die KI-Unterstützung allerdings noch nicht angekommen. Das Ergebnis sind oft etwas schlechtere Ergebnisse, wenn auch meistens nur im Detail. Dafür gibt’s von uns immerhin einen halben Punkt für Nvidia.
RTX Raytracing vs. DirectX Raytracing (DXR)
Mit der Veröffentlichung der Radeon-RX-6000-Serie unterstützt AMD nun auch Raytracing über die DirectX-12-Ultimate-API DXR, für die AMD aber keine gesonderte Hardware innerhalb der Grafikchips reserviert hat. Nvidia hingegen setzt schon seit der Veröffentlichung der Geforce-RTX-2000-GPUs im Jahr 2018 auf die hauseigene RTX-Raytracing-Technik und integriert dafür auch extra Rechenkerne im Grafikchip. Wie wir aber schon gelernt haben: Da Nvidia seit geraumer Zeit DirectX 12 Ultimate vollumfänglich unterstützt, ist Raytracing auf Geforce-RTX-Grafikkarten auch über DXR möglich.

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Raytracing: So funktioniert die Technik
Generell zeigen Tests, dass Nvidias RTX-Raytracing vor allem leistungstechnisch deutlich besser als andere Raytracing-Techniken abschneidet. Vor allem das KI-basierte DLSS sorgt für eine hohe Bildrate in Spielen trotz aktivierten Raytracing – eine Kombination, die AMD aktuell noch in den Schatten stellt. Dieser Punkt geht also wieder an Nvidia.
Resizable BAR: Direkter Zugriff auf den VRAM
Die AMD-CPUs der Ryzen-5000-Serie und die Radeon-RX-6000er GPUs bieten eine Technik namens „Smart Access Memory“ (SAM), die es dem Prozessor erlaubt, auf den kompletten Videospeicher der Grafikkarte via PCI-Express zuzugreifen. Bisher standen den CPUs nur ein gewisser Teil (rund 256 Megabyte) zur Verfügung. Damit eliminiert SAM einen potenziellen Flaschenhals und kann so eine höhere Spieleleistung ermöglichen – wie wir es im Test der Radeon RX 6800 (XT) auch nachgeprüft haben. Derweil boten Nvidia-GPUs keine vergleichbare Technik.

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Allerdings handelt es sich hier um eine schon etwas ältere Technologie aus dem PC-Express-3.0-Standard. Deshalb liefert Nvidia seit 2021 BIOS-Updates für die RTX-3000-Grafikkarten aus, um die gleiche Funktionalität zu unterstützen, nur eben unter dem Namen „ResizeBAR“. Nötig ist dafür eine halbwegs aktuelle Ryzen- oder Intel-CPU und entsprechend aktuelle Chipsätze – darüber lesen Sie mehr im Artikel „ResizeBAR: Ende März auch für RTX 3090, 3080 und 3070“. Deshalb erhalten beide Hersteller einen Punkt.
G-Sync vs. Freesync: Flüssige Bildwiedergabe
G-Sync ist Nvidias Bildsynchroninsations-Technik für eine flüssige Bildwiedergabe, während sie bei AMD Freesync genannt wird. Allerdings funktionieren sie unterschiedlich. G-Sync setzt ein Hardware-Modul im Bildschirm voraus, was die Modelle schon einmal etwas teurer macht. Freesync nutzt hingegen als Basis den offenen „Adaptive Sync“-Standard über Displayport und HDMI, was sich günstiger realisieren lässt. Mittlerweile liefern beide Techniken Ergebnisse auf Augenhöhe.

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Flüssigeres Bild dank AMD Freesync und Nvidia G-Sync
Der Teufel steckt aber im Detail: G-Sync-Monitore unterstützen die Bildsynchronisation auch bei niedrigen Bildwiederholraten, während das einige Freesync-Modelle nicht tun. Da Freesync aber die bessere Preis-Leistung und Nvidia die konstanteren Ergebnisse bietet, erhalten beide Lösungen einen Punkt.
Latenz-Reduzierung: AMD Anti-Lag vs. Nvidia Reflex
Neben den Bildraten sind Latenzen ein wichtiger Faktor beim Zocken geworden, vor allem bei Multiplayer-Gefechten in schnellen Shootern. Die Rede ist hier von der Zeit zwischen dem Drücken einer Taste oder der Bewegung der Maus und der gewünschten Aktion im Spiel. AMDs Anti-Lag synchronisiert die Geschwindigkeit von CPU und GPU, was nicht nur die Prozessorlast minimiert, sondern auch die Eingabeverzögerung. Bei Nvidia nennt sich die Lösung „Reflex“: Unter anderem umgeht die Technik die Render-Warteschlange, um die Kommunikation zwischen GPU und CPU zu verbessern – Reflex verarbeite also nur die Bilder, die auch wirklich in dem Moment nötig sind.

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Ein Klick reicht: Systemlatenz beim Zocken halbieren mit Nvidia Reflex
Beide Techniken können in der Praxis die Systemlatenz um bis zu 30 Prozent verringern. Jedoch kommt es hier auch stark auf die restlichen Komponenten, das Spiel und die Peripherie an. Jeweils einen Punkt haben sich deshalb beide Hersteller verdient.
Streaming-Funktionen auf dem Prüfstand
Wie wir bereits erwähnt haben, bieten die Treiber-Anwendungen von AMD und Nvidia auch Funktionen für Streamer und Let’s Player. Beide bieten ein Overlay-Menü an, um die Übertragungen zu steuern. Deutlich funktionsreicher und benutzerfreundlicher gibt sich hier die Lösung aus der AMD Radeon Software Adrenalin. Hier lassen sich nicht nur mehrere Szenen definieren oder ein Chat-Tab öffnen, sondern ein virtueller Assistent hilft auch bei der Einrichtung.

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Dafür bietet Nvidia aber mit „Broadcast“ KI-gestützte Verbesserungen fürs Mikrofon und die Tonausgabe, indem es unerwünschte Hintergrundgeräusche effektiv herausfiltert. Auch für die Webcam gibt’s KI-Greenscreen-Effekte, um einen alternativen Hintergrund auch ohne Greenscreen einzublenden und Bildrauschen bei schlechten Bildverhältnissen zu entfernen. Wer aber ein gutes Mikrofon hat und einen Greenscreen (oder einen ansprechenden Hintergrund), der braucht das nicht. Deshalb geht der Punkt an AMD.

Overclocking und Systemüberwachung
Ein weiterer Bestandteil der umfangreichen AMD Radeon Software Adrenalin Edition ist die Systemüberwachung, die über den aktuellen Zustand fast aller PC-Komponenten Aufschluss gibt – Temperaturen, Auslastungen, Geschwindigkeiten und Spannungen. Bei Bedarf lassen sich all diese Werte auch aufzeichnen. Der nächste Schritt wäre dann die Optimierung des Systems: Hier bietet AMD jede Menge Tools an, angefangen von der Erstellung eigener GPU-Lüfterkurven bis hin zum Overclocking der CPU, des RAMs und der Grafikkarte, indem Spannungen, Taktraten und Timings verändert werden können.

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Nvidia unterstützt zumindest ein automatisches Overcklocking im Tool Geforce Experience ( Download ) seit der Version 3.2.2 – auch hier ist die lästige Anmeldung Grundvoraussetzung. Eine Systemüberwachung lässt sich hingegen nur über Drittanbieter-Software realisieren. Deshalb geht der Punkt hier ganz klar an AMD.

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Fazit: AMD gewinnt knapp
AMD gewinnt diesen Funktionen-Vergleich mit sieben Punkten – allerdings nur knapp, da Nvidia auf sechseinhalb Punkte kommt. Allerdings haben wir hier nur einen gewissen Teil des Ökosystems beider Anbieter miteinander verglichen. Letztendlich kommt es immer auf die eigenen Anforderungen und vor allem das Budget an, um eine Entscheidung zu treffen, von welchem Grafikchip-Anbieter Ihre nächste GPU sein soll.
Betrachtet man nur die aktuellen GPUs beider Anbieter, dann empfehlen wir folgendes: Wer auf Raytracing verzichten kann, der sollte zu AMD greifen. Wer jedoch die aktuell höchstmögliche Bildqualität möchte, der sollte sich für Nvidia entscheiden. Wer weiß, vielleicht ändert sich das ja auch alles bald wieder…